Bibel – Ethik – Mission – Gemeinde
Bibel
So wie ein Staat eine schriftliche Verfassung hat, die über allen Menschen steht, so steht für uns die Offenbarung Gottes in Jesus Christus und in seinem durch den heiligen Geist inspirierten Wort Gottes über allen Christen und jeder Kirchenstruktur. Die Bibel ist zwar nur der Träger der Botschaft, dass das Heil in Jesus Christus allein zu finden ist, aber die Glaubwürdigkeit dieses Trägers ist für uns von zentraler Bedeutung. Wir haben deswegen viele Bücher rund um die Bibel veröffentlicht, die sie gegen falsche Kritik verteidigen, die ihren Text gründlich zu erforschen suchen und die ihrer Bedeutung für Erweckung, Mission und Gemeindebau nachgehen.
Dabei ist für uns wichtig, dass wir unsere Auslegung der Bibel nicht mit der Offenbarung Gottes selbst verwechseln, denn unfehlbar sind Gott und sein Wort, nicht aber wir als Ausleger. Wir müssen immer wieder neu bereit sein, von der Schrift und durch andere Schriftausleger korrigiert zu werden – auch in Fragen der Schrifthaltung. Deswegen wollen wir als Dozenten und Dozentinnen unseren Studenten nicht einfach die Ergebnisse unserer Schriftforschung vermitteln, sondern sie in die Lage versetzen, eigenständig mit sinnvollen Hilfsmitteln und Methoden den biblischen Text zu verstehen und über seine Umsetzung im 21. Jahrhundert nachzudenken.
Wenn historisch-kritisch heißt, dass man historisch arbeitet und dabei Prinzipien der wissenschaftlichen Kritik einsetzt (z. B. Forschung, historische Methode, Rekonstruktion des Originals und der urspünglichen Bedeutung im Rahmen der damaligen Kultur, Diskussion mit anderen Forschern, Offenheit für ständige Überprüfung der Ergebnisse), dann arbeiten wir als Vertreter eines bibeltreuen Schriftverständnisses gerne ‚historisch-kritisch‘, denn wir wollen die Bedeutung des Bibeltextes im Rahmen seiner vielfältigen Entstehung herausfinden. Insofern aber ‚historisch-kritisch‘ in der Theologie längst nicht mehr einfach als Synonym für ‚Wissenschaftlichkeit‘ steht, sondern eine bestimmte sachkritische Grundsatzeinstellung der Bibel gegenüber bezeichnet oder einen „methodischen Atheismus“ verlangt, lehnen wir die Bezeichnung für uns ab. Wir arbeiten also mit exegetischen Methoden, die wissenschaftlich anerkannt sind und die sich mit unserem Verständnis von der Bibel als inspiriertem Wort Gottes vereinbaren lassen.
Besonders betonen wir die ‚Hermeneutik‘, also die Frage, wie man die Bibel richtig versteht und nicht missbraucht. Wir wollen uns immer wieder vergewissern, welchen Weg wir vom Bibeltext zu theologischen Äußerungen und zur Verkündigung gegangen sind. Hier liegen unseres Erachtens auch die wesentlichen Gründe für die oft so widersprüchlichen Aussagen und Lehren im evangelikalen und christlichen Bereich. Wer die Einheit der Christen durch Gespräche über die biblische Botschaft fördern will, muss deswegen über ‚Hermeneutik‘ sprechen und die Gründe für die oft weit auseinanderliegenden theologischen Auffassungen offenlegen und selbstkritisch vergleichen.
Ethik und Dogmatik
So sehr wir davon überzeugt sind, daß die biblische Exegese jeder Lehre vorausgeht und jede Dogmatik von der Bibel her hinterfragbar bleiben muß, glauben wir dennoch, daß es eine der herausragenden Aufgaben der Theologie ist, für jede Generation und Situation neu den biblischen Befund zur biblischen Lehre in Dogmatik und Ethik zu formulieren und sich selbst klarzumachen, welchen Weg wir von der Auslegung der Schrift zur Lehre gegangen sind. Hinter der scheinbar frommen Aussage, man folge nur der Bibel selbst und brauche keine Dogmatik, versteckt sich nur zu oft ein enger dogmatischer Anspruch für die eigene Sicht und eine vorschnelle Verwerfung aller anderen Ansichten als unbiblisch. Wir wollen dagegen auch kontroverse Positionen in der Theologie mit ihrer jeweils besten Begründung miteinander vergleichen und erst dann unsere Meinung bilden.
Wir sind das theologische Seminar in Europa, das die größte Zahl an Credits im Bereich Ethik von seinen Studenten erwartet, wofür wir einen eigenen, umfangreichen Ethikkurs entwickelt haben. Dabei spielt die persönliche Ethik ebenso eine große Rolle wie die Ethik in der Gemeinde und die gesellschaftliche Ethik (z.B. Gentechnik, Familie, Menschenrechte, Rassismus, politische Ethik). Unser praktisches Engagement in Sachen Ethik kommt vor allem im Bereich des Lebensrechts, der Familie, der Sterbebegleitung, der Armutsbekämpfung, der Religionsfreiheit und der Menschenrechte zum Ausdruck.
Mission
Der Römerbrief des Paulus ist das systematischste biblische Buch, das aufgrund alttestamentlicher Texte und Lehren eine geordnete Darstellung des Evangeliums bietet. Trotzdem hat Paulus diesen Brief ‚nur‘ geschrieben, um eine Gemeinde für die Weltmission zu gewinnen (Röm 1,1-15; 15,1-17).
"Echte biblische Lehre führt immer zu Evangelisation, Gemeindebau und Weltmission und echte Mission wird immer nach ihrer biblischen Begründung fragen."
Deswegen wollen wir unsere Theologie immer daran messen, wie sie zur Mission steht und ob sie an Gottes Mission Anteil hat. Mission ist deswegen im gesamten Unterricht gegenwärtig, in Dogmatik ebenso wie in Kirchengeschichte und Praktischer Theologie. Wir haben aber auch ausführliche Kurse in Missionswissenschaft und integrieren Missionsberichte und aktuelle Nachrichten aus aller Welt in unser Programm. Wir fördern bewußt die Weltmission und jede Art von internationalen Erfahrungen. Wir ermutigen zu praktischen Erfahrungen in anderen Kulturen und zum Kennenlernen von Christen anderer Kulturkreise und Denominationen, was durch unsere Studienzentren in anderen Ländern leicht möglich ist.
"Gemeinde und Praxis der Gemeinde stehen nicht am Ende der Ausbildung, sondern begleiten und durchdringen das ganze Studium."
Hierher gehört auch eine spezielle Konzentration auf den Islam als der neben dem Christentum größten Religion der Welt und Deutschlands. Jeder Student muß einen umfangreichen Kurs über den Islam absolvieren. Unsere Forschungsarbeit zum Islam und unser Studienmaterial zum Islam werden weltweit unter Evangelikalen eingesetzt und als wegweisend angesehen. Durch unser Studienzentrum in der Türkei werden wichtige Erfahrungen vor Ort eingebracht.
Gemeinde
Theologische Ausbildung findet für die Gemeinde statt. Deswegen soll Gemeinde und die Praxis der Gemeinde nicht am Ende der Ausbildung stehen, sondern das ganze Studium begleiten und durchdringen. Die nebenberufliche Art unserer Ausbildung ermöglicht es den Studenten, in ihrer angestammten gemeinde intensiv mitzuwirken. Gemeindefragen durchziehen deswegen bei uns alle theologischen Fächer. Außerdem wird bei uns der Wert der Ausbildung in der Gemeinde dadurch unterstrichen, daß wir Credits für alle begleiteten Aktivitäten in der Gemeinde vergeben. Jeder Student muß aktiv in einer (oder mehreren) Gemeinde/n mitarbeiten und einer funktionierenden Gemeindeleitung unterstehen.
Apologetik
»Die Welt steht in Beziehung auf Christus, ob sie es weiß oder nicht«, hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt. Die Kirche braucht deshalb weder Christen, die sich der Welt entziehen, noch solche, die aus eigenem Antrieb heraus die Welt verbessern wollen. Die Kirche braucht Christen, die das Leben unter der Herrschaft Gottes in der Welt einüben. Menschen, die Jesus Christus nachfolgen, sind nicht aus der Welt, aber sie sind in die Welt hinein gesandt (vgl. Joh 17).
Wer als Christ achtsam in unserer Welt lebt, wird ständig hinterfragt und muss sich erklären. Schon im 1. Petrusbrief heißt es, dass Christen stets bereit sein sollen, »Rede und Antwort zu stehen«, wenn jemand von ihnen Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in ihnen ist. Christen sollen das mit »Sanftmut und Ehrerbietung« tun und dabei Gott in ihren Herzen heiligen (vgl. 1Petr. 3,15b–16).
"Die Welt steht in Beziehung auf Christus, ob sie es weiß oder nicht."
Die vernünftige Verteidigung des Glaubens wird auch »Apologetik« genannt (abgeleitet von der »Verteidigungsrede« vor Gericht). Sie gewinnt ihren besonderen Charakter dadurch, dass sie Fragen und Klagen Andersdenkender aufgreift und für diese formal nachvollziehbar zu beantworten sucht. Denn Petrus erwartet von den Christen, dass sie den Grund für ihre Hoffnung verständlich kommunizieren können.
Leider wird Christsein heutzutage oft auf die persönliche Frömmigkeit, die Gemeindezugehörigkeit oder das Heil reduziert . Christsein ist aber keine Privatsache und die öffentliche Verteidigung des Glaubens muss eingeübt werden. Das Martin Bucer Seminar fördert deshalb seit vielen Jahren die denkerische Rechtfertigung der christlichen Hoffnung und ihre authentische Bezeugung in der Gesellschaft. Fragen des christlichen Zeugnisse in einer säkularisierten Kultur werden in den verschiedensten Fächer aufgegriffen und diskutiert. Das Seminar hat zahlreiche Publikationen aus dem Bereich der Apologetik hervorgebracht. 201o wurde ausserdem das »Institut für christliche Weltanschauung« gegründet, um diesen Themenbereichen noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen.