Bonner Querschnitte 01/2009 Ausgabe 85

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Ein junger Mann schreibt die bedeutendste Dogmatik der Reformationszeit

Martin Bucer Seminar legt Erstauflage von Calvins Hauptwerk zum Calvinjubiläum neu auf

(Bonn, 02.01.2009) Die ‚Christianae Religionis Institutio‘, kurz ‚Institutio‘ genannt, ist das Hauptwerk des Schweizer Reformators Johannes (Jean) Calvin (1509–1564), dessen Geburtstag sich 2009 zum 500. Mal jährt. In Deutschland wurde fast ausschließlich die letzte, große Auflage des Werkes von 1559 verwendet. Die erste und kürzeste Auflage von Calvins Hauptwerk von 1536 erschien erst 1887 in deutscher Sprache in der unserer Ausgabe zugrunde gelegten Übersetzung von Bernhard Spiess. Für die vorliegende Ausgabe wurde die Übersetzung von Spiess sprachlich und orthographisch modernisiert. Zudem wurden die Abkürzungen und Verweise vereinheitlicht, die biblischen Belegstellen überprüft und korrigiert und neue Zwischenüberschriften zur schnelleren Orientierung eingefügt.

Allzuoft musste die Erstausgabe der ‚Institutio‘ von 1536 hinter der Endfassung des Werkes von 1559 zurücktreten, die bei fünffachem Umfang die reifere und abschließende Leistung Calvins war. Die Erstausgabe ist in der Forschung immer stiefmütterlich behandelt worden. Dabei gerät jedoch leicht in Vergessenheit, dass die Erstausgabe 1536 Calvins legendären Ruf begründete und 1559 die Reformation bereits gefestigt war, 1536 aber noch weitgehend erst um ihren Kurs rang und Calvin mit seiner Kurzdogmatik eine neue Literaturgattung schuf.
Das Erscheinen der ‚Institutio‘ sieht der bedeutende französische Calvinforscher Bernard Cottret als historische Schwelle der Reformationszeit, denn hier geschah eine Fixierung vieler Fragen und Themen, die im Fluss waren und viele Umherirrende gewannen eine feste Orientierung.

Durch den erstmals 1552 vom Hamburger lutherischen Pastor Joachim Westphal verwendeten und polemisch gemeinten Ausdruck ‚calvinistisch‘ ist der Eindruck entstanden, Calvin sei nur für einen Teil der Christenheit als Ziehvater von Bedeutung. Weit gefehlt. Kaum ein Reformator hat schon zu Lebzeiten so breit gewirkt, und viele Grundprinzipien der Theologie Calvins haben alle christlichen Konfessionen stark beeinflusst, wie viele Autoren betont haben. Heidi Neuenschwander-Schindler schreibt: „Unter den Reformatoren des 16. Jahrhunderts ist keiner auf Weltebene so erfolgreich gewesen wie Jean Calvin, keiner ist aber auch mehr hinter sein Werk zurückgetreten.“

Calvins ‚Institutio‘ gilt auch außerhalb der reformierten Welt als bedeutende Zusammenfassung des christlichen Glaubens. Selbst einer der polemischsten und unsachlichsten Kritiker Calvins, Stefan Zweig, schreibt: „Diese ‚Institutio‘ ist eines der zehn oder zwanzig Bücher der Welt, von denen man ohne Übertreibung sagen kann, dass sie den Ablauf der Geschichte bestimmt und das Antlitz Europas verändert haben.“

Dieser Einfluss gilt nicht nur im Bereich sozialer und gesellschaftlicher Themen oder etwa darin, dass heute selbst örtliche katholische Kirchengemeinden und praktisch fast alle Konfessionen die von Calvin eingeführte Gemeindeleitungsstruktur aus gewählten Laienältesten plus den Pastoren verwenden, sondern auch in Calvins ureignen Fachgebieten, der Exegese und – was hier herausgestellt werden soll – der Dogmatik.

 

Literaturangaben:

Johannes Calvin. Christliche Glaubenslehre: Erstausgabe der ‚Institutio‘ von 1536. hrsg. und eingeleitet von Thomas Schirrmacher. Reformatorischer Verlag: Hamburg & Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2008. 420 S. Pb. 28,95 EUR. ISBN 978-3-938116-58-6

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