Bonner Querschnitte 07/2008 Ausgabe 59

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Weltallianz: Eigene Reaktion auf muslimische Verständigungsinitiative

Evangelikale laden Muslime zu Gesprächen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ein

(Bonn/Wetzlar, 14.03.2008) Die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) hat in einem Schreiben einen eigenen Beitrag zu einer christlich-muslimischen Verständigungsinitiative geleistet. Das Dokument, das am 11. März veröffentlicht wurde, ist eine Antwort auf ein „Gemeinsames Wort“ von 138 muslimischen Geistlichen, das diese zum Ende des Fastenmonats Ramadan im Oktober an den Vatikan, die orthodoxen Kirchen, den Weltkirchenrat, die anglikanische Weltgemeinschaft sowie die Weltbünde der Lutheraner, Reformierten, Baptisten und Methodisten gerichtet hatten. Darin wiesen sie auf Gemeinsamkeiten in der Bibel und im Koran hin, insbesondere auf das Doppelgebot, Gott und den Nächsten zu lieben. In dem vom Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der WEA, Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), verfassten und von ihrem Internationalen Direktor, Geoff Tunnicliffe (Markham), unterzeichneten Antwortschreiben lädt die Dachorganisation von rund 420 Millionen Evangelikalen Muslime zu Gesprächen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden großen Weltreligionen ein: „Lassen Sie uns im direkten Gespräch über unsere Differenzen sprechen und versuchen, einander durch gute Argumente zu überzeugen, ohne Gewalt und Androhung von Gewalt, und damit über die Differenzen in den politischen Strategien oder in der Handlungsweise der Regierungen hinauszugehen.“

Jesus „der Weg, die Wahrheit und das Leben“

Die WEA betont die Verpflichtung der Christen zum Frieden, wie sie etwa in der Bergpredigt Jesu oder in den Briefen des Apostels Paulus zum Ausdruck kommen. Die Weltallianz geht auch auf den Aufruf der muslimischen Gelehrten an Christen ein, Muslime zu werden, indem sie „Gott anbeten sollen, ohne ihm einen Partner zur Seite zu stellen“. Diese Einladung könne man nicht annehmen. Im Gegenzug lädt die Allianz Muslime zum Glauben an den Gott ein, „der unseren Widerstand gegen ihn und unsere Sünde durch das vergibt, was sein Sohn Jesus Christus für uns am Kreuz getan hat“. Es gehe nicht darum, Streit zu suchen. Vielmehr seien Christen von der Wahrheit ihres Glaubens ebenso überzeugt wie Muslime von ihrer. Die Allianz verweist unter anderem auf das Jesus-Wort „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Johannes 14,6).

Fundamentale Unterschiede im Blick auf Gottes Liebe

Die fundamentalen Unterschiede im Gottesverständnis zwischen Islam und dem christlichen Glauben seien der Allianz bewusst. Zum besseren Verstehen werde es langer, aufrichtiger Gespräche bedürfen. Auch beim Verständnis der Liebe Gottes bestünden tiefe Differenzen. So glaubten Christen im Unterschied zu Muslimen, dass der Tod Jesu am Kreuz der größte Beweis der Liebe Gottes zu den Menschen sei. Man werde die Unterschiede jedoch niemals zum Vorwand nehmen, Muslime nicht zu lieben oder den Frieden zu gefährden.

Religionsfreiheit für alle

Die WEA kommt auch auf die Religionsfreiheit als Menschenrecht zu sprechen. Man wolle, dass Christen und Muslime in Frieden zusammenleben können. Frieden werde man nicht dadurch erreichen können, dass man sich zunächst in allen Unterschieden einig werde. Vielmehr sollte man den Anhängern aller Religionen ermöglichen, ihren jeweiligen Glauben in vollem Maße auszuüben und zu verbreiten, und allen Menschen erlauben, ihre Religionszugehörigkeit frei zu wählen.

Zwischen dem Westen und Christen unterscheiden

Die WEA bringt ferner Bedenken auf drei Gebieten zum Ausdruck. Sie bittet Muslime, zwischen dem christlichen Glauben und der westlichen Welt zu unterscheiden. Das Christentum sei keine westliche Religion, und die Mehrheit der Menschen im Westen lebten nicht nach Gottes Willen. Zum zweiten zeigt sich die Allianz verwundert, dass die Muslime davon sprechen, dass Christen Krieg gegen Muslime wegen ihrer Religion führten, sie unterdrückten und vertrieben. „Wo führen Christen Krieg gegen Muslime?“ fragt die Allianz. Die dritte Sorge betreffe das Schicksal von Christen in überwiegend muslimischen Ländern. Oft sei es ihnen nicht gestattet, ihren Glauben ungehindert auszuüben; manche säßen in Haft, andere würden ermordet. Man bitte darum, den Christen das gleiche Maß an Frieden und Gerechtigkeit zukommen zu lassen, wie den dort lebenden Muslimen.

Umstrittene frühere Antwort christlicher Theologen

Im November hatten bereits eine große Anzahl christlicher Theologen eine Antwort auf die muslimische Verständigungsinitiative unter dem Titel „Gott und den Nächsten zusammen lieben“ in der Zeitung New York Times veröffentlicht. Darin wurde die Gottes- und Nächstenliebe als „zentrale Gemeinsamkeit“ der beiden Religionen bekräftigt. Das Papier war von führenden Vertretern der Evangelikalen mitunterzeichnet worden, auch von WEA-Direktor Tunnicliffe. Bei anderen Evangelikalen stieß das Papier auf Kritik. Der Vorwurf lautete, dass die Unterschiede zwischen den Religionen verwischt und die Bedeutung Jesu relativiert werde, um Moslems zu besänftigen. Tunnicliffe hat seine Unterschrift unter dieses Papier, wie Schirrmacher gegenüber idea sagte, nicht zurückgezogen. Zu den evangelikalen Unterzeichnern zählen auch der Präsident der Evangelischen Allianz in den USA, Leith Anderson (Eden Prairie/ Bundesstaat Minnesota), der Baptistenpastor und Bestsellerautor Rick Warren (Lake Forest/Kalifornien), der Leiter der Kommunität Sojourners (Gäste), Jim Wallis (Washington), und der englische Theologe John Stott.

Quelle: ideaPressedienst Nr. 73 (13.03.2008)

 

Downloads:

  • Vollständiger Text der Antwort „We Too Want to Live in Love, Peace, Freedom and Justice“ als Initiates file downloadpdf
  • Deutsche Übersetzung des Antwortbriefes „Auch wir wollen in Liebe, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit leben“ als Initiates file downloadpdf

Dokumente

BQ0059_01.pdf