Bonner Querschnitte 19/2012 Ausgabe 213

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Stadt Augsburg und Evangelische Allianz gegen Menschenhandel

Experten fordern Überarbeitung oder Abschaffung des Prostitutionsgesetzes von 2002

(Bonn, 16.07.2012) Keiner hatte damit gerechnet, dass das S-Forum der Neuen Stadtbücherei Augsburg für die Podiumsdiskussion „Menschen handeln Menschen“ unter Schirmherrschaft des Augsburger Oberbürgermeisters zu klein sein würde. Neben einem internationalen Experten waren fünf Augsburger Fachleute eingeladen, die das gesamte Spektrum von Stadt und Polizei, Migrationsrat und Sozialarbeiter, Hilfsorganisationen und Kirchen repräsentierten und von Moderator Kurt Idrizovic gekonnt befragt und ins Gespräch untereinander gebracht wurden.

v.l.n.r.: Schirrmacher, Ullrich, Icboyun, Sporer, Unterreithmeier, (verdeckt: Engelmohr,) Idrizovic

Auffällig war, dass sich alle Experten und Expertinnen von verschiedenem Hintergrund, die sonst selten einer Meinung sind – Forscher, Polizeioffizier, Sozialarbeiter, Innenbehördenleiter, Pfarrer und Migrantenvertreter, dabei auch Vertreter von CSU und SPD –, darin einig waren, dass das Prostitutionsgesetz von 2002 die Bekämpfung von Menschenhandel durch sexuelle Ausbeutung enorm erschwert hat und dringend geändert oder abgeschafft werden muss. Man habe zwar die Unabhängigkeit und die Absicherung der Prostituierten stärken wollen, aber für die große Masse der Prostituierten genau das Gegenteil erreicht. Für die Ermittlungsbehörden sei eine Kontrolle des Milieus fast unmöglich geworden und der Umstand, dass die Prostituierten jetzt überwiegend Angestellte mit Arbeitsverträgen seien, gebe den Zuhältern im Gegensatz zu früher ein legales Arbeitgeber-Weisungsrecht. Das mache es praktisch unmöglich, festzustellen, ab wann Prostituierte zu Handlungen gezwungen würden.

Das Eingangsstatement von Prof. Dr. theol. Dr. phil. Thomas Schirrmacher, Autor des Buches „Menschenhandel. Die Rückkehr der Sklaverei“, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Während die klassische Sklaverei in der westlichen Welt durch die erste große Menschenrechtskampagne der Weltgeschichte abgeschafft wurde, fehlen den Sklaven und Sklavinnen von heute die großen Fürsprecher, wie sie sich etwa in der Klimadebatte finden. Für die meisten Medien ist gerade einmal das unappetitliche Zwangsprostitutionsgewerbe eine Meldung wert, die dann immerhin ein wenig Schock, Abscheu oder Nervenkitzel auslöst. Fast alle Länder der Erde haben harte Gesetze und Strafen gegen Vergewaltigung, Folter und Entführung. Zwangsprostitution umfasst alle drei Verbrechen gleichzeitig, wird aber viel nachlässiger behandelt, kaum ermittelt und gelinde bestraft. Und auch den Freiern müsste klar sein, dass sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit an solchen Delikten beteiligen.“

Stadtrat Dr. Volker Ullrich, Leiter des zuständigen Ordnungsreferates der Stadt Augsburg, der zunächst im Namen des Schirmherrn der Veranstaltung, dem Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl, sprach, kündigte an, die seit 1975 unveränderte Frage der Sperrbezirke in Augsburg neu auf die Tagesordnung zu setzen. Er setze sich auch auf Landes- und Bundesebene dafür ein, dass das derzeitige Prostitutionsgesetz auf den Prüfstand komme.

Sait Icboyun, Sprecher des Fachforums Migration der SPD Augsburg, verwies darauf, dass Migranten nicht nur überdurchschnittlich oft Opfer seien, sondern oft dabei von ihren eigenen Landsleuten versklavt würden.

Helmut Sporer, Leiter des für Menschenhandel zuständigen Kommissariats 1 der Kriminalpolizei von Augsburg, teilte mit, dass viele der 1500 bis 2000 Prostituierten, die jedes Jahr in Augsburg meist nur kurze Zeit Station machten, so dass immer 500 von ihnen gleichzeitig in Augsburg seien, Opfer von Menschenhändlern seien. 80 Prozent von ihnen kämen aus dem Ausland, vor allem aus Südosteuropa. Häufig stünden Zuhälterorganisationen hinter den Frauen, was aber aufgrund des verheerenden geltenden Prostitutionsgesetzes schwer ermittelt werden könne. „Die Frauen funktionieren und sind eingeschüchtert von den Zuhältern. Dass eine selbst Anzeige erstattet, kommt so gut wie nie vor“, sagte Sporer. Das geltende Recht sei „Scheinregulierung“, denn Zuhälter hätten nun ganz offiziell die Rechte und Weisungsrechte von Arbeitgebern gegenüber Prostituierten.

Laut Soni Unterreithmeier vom bayrischen Zweig des Vereins Solwodi e.V., der Opfern von Zwangsprostitution und anderen Frauen in Gefahr zu helfen versucht, gibt es für die jungen Frauen teils schriftliche Anweisungen, wie sie sich im Fall einer Razzia im Bordell zu verhalten haben. Viele der Prostituierten wurden von Schleppern mit dem Versprechen eines soliden Berufs nach Deutschland gelockt und fänden sich unversehens im Rotlicht-Milieu wieder.

Pastor Klaus Engelmohr vom projekt_X Augsburg, der Initiator der Veranstaltung, forderte gleich anschließend Interessierte auf, einen ad-hoc-Arbeitskreis quer durch die Gesellschaft zu bilden, um zu überlegen, was man gemeinsam in Augsburg tun und wie man Druck auf die Politik ausüben könne, damit etwas passiere.

 

Neben dieser Meldung bieten wir Ihnen folgende weiteren Meldungen und Berichte zur Verwendung an:

2. [Meldung von Projekt X]: Menschenhandel – ein Thema das Augsburg bewegt

Im gut gefüllten S-Forum der Neuen Stadtbücherei erfuhren Interessierte mehr zum Thema moderne Sklaverei. Bei der Podiumsdiskussion „Menschen handeln Menschen“ erläuterte Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher, dass jährlich etwa 30.000 Menschen in Deutschland gehandelt werden. 80% davon werden in die Prostitution verkauft, hauptsächlich junge Mädchen und Frauen aus Osteuropa. Angst und fehlende Sprachkenntnisse halten die Meisten ab, Hilfe zu suchen. Hier ist langsamer Vertrauensaufbau und Beziehungsarbeit gefragt, weiß Soni Unterreithmeier von SOLWODI Bayern e. V., um beim Ausstieg aus der Zwangsarbeit Hilfe leisten zu können. Rechtlich ist es derzeit jedoch schwierig, gegen die Menschenhändler und Zuhälter vorzugehen. Eine Gesetzesänderung ist dringend notwendig, darin sind sich alle Diskutanten einig. Jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten, indem Menschenhandel und Sklaverei in Deutschland thematisiert und damit der Druck auf die Politik zum Handeln erhöht wird oder durch die Unterstützung von Opferorganisationen wie SOLWODI. Im Anschluss an die Diskussionsrunde meldeten sich Interessierte für die Gründung einer Arbeitsgruppe, eine weitere Möglichkeit für Augsburger Bürger, sich zu engagieren.

Als Talkgäste waren dabei:

·         Prof. Dr. theol. Dr. phil. Thomas Schirrmacher, Autor des Buches „Menschenhandel. Die Rückkehr der Sklaverei“

·         Stadtrat Dr. Volker Ullrich, Ordnungsreferat, Stadt Augsburg

·         Helmut Sporer, Leiter Kommissariat 1, Kriminalinspektion Augsburg

·         Soni Unterreithmeier, SOLWODI Bayern e.V. (Solidarität mit Frauen in Not)

·         Sait Icboyun, Sprecher des Fachforums Migration der SPD Augsburg

·         Klaus Engelmohr, Pastor, projekt_X Augsburg

Ort: Neue Stadtbücherei Augsburg, S-Forum, EG

Zeit: Freitag, 27. April 2012, 19:30 - 21:00 Uhr

Veranstalter: projekt_X Augsburg, ein Kirchenprojekt im Bund Freier evangelischer Gemeinden K.d.ö.R, in Kooperation mit der Neuen Stadtbücherei Augsburg und der Evangelischen Allianz Augsburg e.V.

3. [Bericht ‚Neue Szene Augsburg‘]: Menschenhandel – ein Thema, das Augsburg bewegt

Beitrag aus „Neue Szene Augsburg – Stadtmagazin ...“ – mit freundlicher Genehmigung der Redaktion des NSA, Quelle: Opens external link in new windowwww.neue-szene.de/nsa/index.php/startseite/show/id/3322

Mit einem solchen Andrang hatte niemand gerechnet: Über 150 Zuhörer kamen am vergangenen Freitag ins S-Forum der Neuen Stadtbücherei, um mehr zum Thema „Moderne Sklaverei“ zu erfahren.

Bei der Podiumsdiskussion „Menschen handeln Menschen“ erläuterte Thomas Schirrmacher, Autor des Buches „Menschenhandel – Die Rückkehr der Sklaverei“, dass jährlich etwa 30.000 Personen in Deutschland buchstäblich gehandelt werden. 80 Prozent davon werden in die Prostitution verkauft, hauptsächlich junge Mädchen und Frauen aus Osteuropa. Angst und fehlende Sprachkenntnisse halten die meisten davon ab, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Hier ist langsamer Vertrauensaufbau und Beziehungsarbeit gefragt, weiß Soni Unterreithmeier von SOLWODI Bayern e.V.

Rechtlich ist es derzeit schwierig, gegen Menschenhändler und Zuhälter vorzugehen. Eine Gesetzesänderung ist dringend notwendig, darin waren sich alle Diskutanten einig. Neben den bereits Erwähnten nahmen Ordnungsreferent Volker Ullrich, Helmut Sporer von der Kripo Augsburg, Sait Icboyun, Sprecher des Fachforums Migration der SPD Augsburg, und Pastor Klaus Engelmohr an der Diskussion teil.

Jeder einzelne könne seinen Beitrag leisten, indem Menschenhandel und Sklaverei in Deutschland thematisiert und damit der Druck auf die Politik erhöht wird, so das Ergebnis der Diskussionsrunde. Im Anschluss meldeten sich Interessierte für die Gründung einer Arbeitsgruppe.

Geschrieben von pm/flo

4. [Ankündigung] Sklaverei – auch in Deutschland nicht ausgerottet

Ankündigung in der DAZ – Die Augsburger Zeitung,
http://www.daz-augsburg.de/?p=25447Opens external link in new windowwww.daz-augsburg.de

Sklaverei – auch in Deutschland nicht ausgerottet: Podiumsdiskussion in der Stadtbücherei

Zum Thema „Menschen handeln Menschen – Sklaverei in Deutschland“ findet am kommenden Freitag, 27. April um 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion in der Neuen Stadtbücherei statt. „Die Sklaverei ist nicht Geschichte – im Gegenteil: Heute gibt es mehr Sklaven als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.“ So unglaublich diese Aussage des Religionssoziologen Thomas Schirrmacher klingt, so real ist sie für viele Menschen in der globalisierten Welt. „Human Trafficking“ lautet der Begriff für diese Art der modernen Sklaverei, die in den letzten Monaten immer wieder von den Medien aufgegriffen wurde. Doch wo und wie werden Menschen gehandelt? Gibt es auch in Augsburg – der Stadt des Friedens – Menschen, die in Sklaverei leben? Warum wissen wir nichts oder kaum etwas darüber? Wie erkennen wir, an welchen Stellen der Gesellschaft Menschen zum gehandelten Objekt werden?

Um diese und weitere Fragen geht es in der Podiumsdiskussion zum Thema „Menschen handeln Menschen“. Neben einer fachlichen Aufklärung sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man sich – auch ganz konkret in Augsburg – gegen den modernen Menschenhandel wehren und wie bzw. in welchen Bereichen man praktische Hilfe leisten kann.

Als Talkgäste sind dabei:

Prof. Dr. theol. Dr. phil. Thomas Schirrmacher, Autor des Buches „Menschenhandel. Die Rückkehr der Sklaverei“

Stadtrat Dr. Volker Ullrich, Ordnungsreferat, Stadt Augsburg

Helmut Sporer, Leiter Kommissariat 1, Kriminalinspektion Augsburg

Soni Unterreithmeier, SOLWODI Bayern e.V. (Solidarität mit Frauen in Not)

Sait Icboyun, Sprecher des Fachforums Migration der SPD Augsburg

Klaus Engelmohr, Pastor, projekt_X Augsburg

Die Podiumsveranstaltung ist eine Veranstaltung von projekt_X Augsburg in Kooperation mit der Neuen Stadtbücherei und der Evangelischen Allianz Augsburg e.V. projekt_X Augsburg ist ein Kirchenprojekt im Bund Freier evangelischer Gemeinden K.d.ö.R. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.

5. Bericht der Augsburger Allgemeinen

Der Bericht geht ausführlich auf die Frage der Sperrbezirke in Augsburg und die Ankündigungen von Stadtrat Ullrich ein, am Ende aber auch auf die restliche Veranstaltung:

Opens external link in new windowwww.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Prostitution-Ullrich-will-Sperrbezirk-deutlich-ausweiten-id19829641.html

 

Downloads:

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Dokumente

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