Bonner Querschnitte 20/2007 Ausgabe 50

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Hoffnung gründet auf Erlösung

Die zweite Enzyklika von Benedikt XVI.: Eine beinahe unkatholische Bibelarbeit des Papstes

(BQ/idea, 02.01.2008) Im dritten Jahr als Papst legt Benedikt XVI. seine zweite Enzyklika „Spe salvi“ vor. Traditionell geben die ersten beiden lateinischen Worte einer Enzyklika das Thema vor, hier also ‚Auf Hoffnung gerettet’, ein Zitat aus dem Römerbrief des Paulus (8,24). In 50 durchgezählten längeren Abschnitten entfaltet der Papst eine biblische Lehre von der Hoffnung. Aus zahlreichen Texten des Neuen Testamentes erweist der Papst, dass Hoffnung ein zentraler Bestandteil des Glaubens ist und Menschen ohne Gott ohne tragfähige Hoffnung sind. Viel Zeit verwendet er für neutestamentliche Texte, die sagen, dass Hoffnung nicht auf einer inneren subjektiven Einstellung beruht, sondern auf objektiven Tatsachen. Ebenso gründlich zeigt er auf, dass Hoffnung und Heil im Neuen Testament nicht rein individualistisch zu verstehen sind, sondern Christen in Gemeinschaft mit Christus und als Volk Gottes Hoffnung haben.

Anschließend grenzt der Papst das christliche Hoffnungsverständnis von den subjektivischen Hoffnungsvorstellungen der Französischen Revolution, des Industrieoptimismus, des Marxismus und des Humanismus ab und fordert eine längst überfällige „Selbstkritik der Neuzeit“: „Nicht die Wissenschaft erlöst den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe.“ (12). Zur Praxis des Hoffnungsglaubens gehören das Gebet und das Durchleben des Leidens, auf dass der Moralismus des Atheismus und der Fortschrittsideologien keine Antwort habe.

Weder überraschend noch kontrovers

Die Enzyklika wird vermutlich keine der großen Rundschreiben darstellen, die auch in hundert Jahren noch zitiert werden, da sie weder eine überraschende Wende der katholischen Kirche ankündigt, noch zu einem hochkontroversen Thema Stellung bezieht. Ruhig und sachlich verweist sie auf den großen Unterschied zwischen der christlichen Hoffnung und der fehlenden oder täuschenden innerweltlichen Hoffnung westlicher Fortschrittsideen. Klar zeigt sie auf, dass christliche Hoffnung nur denkbar ist, weil es Erlösung in Jesus Christus gibt und weil es über die irdische Zeit hinausweisende Angelpunkte wie das Gericht, das Heil und das ewige Leben gibt.

Aber die Enzyklika hebt sich in anderer Hinsicht aus früheren Lehrschreiben ab, nämlich durch ihre starke Konzentration auf die Auslegung neutestamentlicher Texte und die fast völlige Abwesenheit typisch katholischer Gesichtspunkte. Das hat die Enzyklika mit dem Jesusbuch des Papstes gemeinsam, nur war dieses vom Papst ausdrücklich als private Äußerung vorgelegt worden. Diesmal jedoch handelt es sich um ein lehramtliches Dokument.

In den ersten 47 Paragraphen der Enzyklika findet sich keine Aussage, die auffallen würde, wenn man sie von einer evangelikalen Kanzel verlesen würde. In den Enzykliken von Papst Johannes Paul II. war das genau umgekehrt – in kaum einem Satz wurde nicht Maria, die Heilsrolle der Kirche oder eine andere katholische Besonderheit erwähnt. In Paragraph 48 wird dann das Gebet für Verstorbene kurz angesprochen. Erst in den beiden Schlussparagraphen 49-50 wird Maria angerufen. Doch auch wer diese lange Rede an Maria liest, wird erstaunt feststellen, dass sie praktisch nur aus einer Zusammenstellung neutestamentlicher Aussagen über Maria und Jesus besteht. Eine nur der katholischen Kirche eigene Lehre über Maria wird nicht erwähnt. Die Schlussabsätze wirken fast so, als hätte die Kurie ihr Anhängen verlangt, damit die Enzyklika nicht völlig unkatholisch klingt.

 

Der Autor, Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher (Bonn), ist Systematiker und Religionssoziologe. Er hat mehrere Bücher über das katholische Lehramt sowie das Buch „Hoffnung für Europa“ verfasst.

 

Veröffentlicht im idea-Pressedienst am 8.12.2007 (siehe Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.idea.de)

Dokumente

BQ0050_01.pdf