Bonner Querschnitte 25/2012 Ausgabe 219

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Bormann â?? Hamdan â?? Schirrmacher bei Amnesty International

Vorlesung „Menschenrechte als christlich-westliches Dogma?“ an der Universität Tübingen

(Bonn, 02.10.2012) In der Studium Generale-Reihe „Human rights and human wrongs – Menschenrechte zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, organisiert von der Amnesty International Hochschulgruppe Tübingen, fand am 8.5.2012 in der Juristischen Fakultät im HS 21 des Kupferbaus ein Podiumsgespräch zwischen dem Tübinger katholischen Moraltheologen Prof. Dr. Franz-Josef Bormann, dem Leiter der islamischen Ausbildung an der Universität Tübingen Prof. Dr. Omar Hamdan und dem evangelischen Religionssoziologen Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher vom Internationalen Institut für Religionsfreiheit) unter Moderation von Erik Flügge vom Think-Tank ‚Kunstgriff‘ zum Thema statt: Menschenrechte als christlich-westliches Dogma? statt (siehe: Opens internal link in current windowhttp://jplie.edublogs.org/2012/05/04/studium-generale-menschenrechte-als-christlich-westliches-dogma/).

Omar Hamdan ist Palästinenser mit israelischem Pass und Professor für Koranwissenschaft. Er studierte in Jerusalem und Tübingen und leitet seit Ende 2011 das neu eröffnete „Zentrum für islamische Theologie“ an der Universität Tübingen, das Imame und islamische Religionslehrer ausbilden soll.

In Bezug auf die Menschen­rechte unterstrich Hamdan vor allem den Unterschied zwischen Muslimen, die unter einem islamischen Staat leben, der die Scharia umsetze, und Muslimen, die in nicht islamischen Ländern leben und sich dort „natürlich“, so jedenfalls Hamdans Auffassung, der vorgegebenen staatlichen Ordnung einfügen dürften, wobei auch die Menschenrechte eine zentrale Rolle spielten. Mit zahlreichen Lesungen aus dem Koran belegte er, dass Frauen und Juden und Christen im Koran oft sehr positiv gesehen werden.

Franz-Josef Bormann studierte Theologie und Philosophie in Frankfurt und Rom und lehrt seit 2008 katholische Moraltheologie an der Universität Tübingen – zuvor lehrte er in Paderborn. Er ist Experte für die Moraltheologie des Thomas von Aquin und in Fachkreisen für seine Studien zum Naturrecht und zur Vernunft bekannt. 2005 wurde er zum Priester geweiht.

Bormann vertrat, dass die Begründung der Menschenrechte aus der Vernunft, nicht aus dem christlichen Glauben heraus geschehen sollte, da nur so die Gemeinsamkeit mit allen Menschen gewährleistet sei und sie nur so einsichtig Vorrang vor allem anderen hätten. Die Menschenrechte seien nicht westlich, sondern vernünftig, aber die Einsicht, dass Menschen nur aufgrund der gemeinsamen Vernunft miteinander einen Weg finden könnten, sei bei uns seit der Aufklärung stark verankert, in einigen Kulturbereichen aber noch recht fremd. Als Ergebnis der Vernunft stünden die Menschenrechte auch über allen religiösen Offenbarungen, auch der biblischen oder christlichen.

Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher ist Theologe und Religionssoziologe und Autor des Buches „Menschenrechte“.

Menschenrechte seien vor allen Dingen zunächst einmal vorstaatlich, betonte Schirrmacher, weil das Menschsein allem anderen, auch allen Institutionen und Weltanschauungen vorausgehe. Er wollte aber – im Gegensatz zu seinen Mitdiskutanten – eine vernünftige Begründung hier und eine Begründung aus der eigenen Religion heraus dort nicht gegeneinander stellen. Vielmehr sei es am Überzeugendsten, wenn sich beide Begründungen träfen, wie das für ihn als Christ gelte. Religiöse oder nichtreligiöse Begründungen seien oft halbherzig, schwerfällig, kompliziert oder hätten lange Anlaufwege. Es sei aber wichtig, dass religiöse Menschen von Ihren Würdenträgern sehr schnell und sehr deutlich zu hören bekämen, das Menschenrechte einzuhalten und sich gegen Menschenrechtsverletzungen einzusetzen Teil der eigenen Religion und Überzeugung sei und zu den Grundwerten des eigenen Glaubens gehöre.

Die Menschenrechte, so Schirrmacher, ergeben nicht nur dann allein Sinn, wenn sie dem Staat vorausgehen und an diesen als Maßstab angelegt werden, sondern auch, wenn sie den religiösen Institutionen vorausgehen. Jede Religion und jede religiöse Gruppierung müsse sich daran messen lassen, ob sie die Menschenwürde fördere oder einschränke.

Die Tübinger Hochschulgruppe von Amnesty International ist ein Zusammenschluss von Studenten der Eberhard-Karls-Universität und jungen Akademikern, die sich mit den Werten und Zielen von Amnesty International identifizieren und sich aktiv für die Menschenrechte einsetzen möchte. Die Aktionen der Hochschulgruppe reichen von Unterschriften Sammeln an Infoständen z. B. bei Volksfesten, über Mahnwachen, um auf Probleme in Ländern wie Ägypten aufmerksam zu machen, Fackelläufe für gewaltlose politische Gefangene, Lesungen mit Autoren z. B. aus der Türkei oder dem Iran, die von Verfolgung, Inhaftierung, Folter, Flucht und Asyl berichten, Kinofilme, die Menschenrechte thematisieren, wie „Kahlschlag“, in dem die Vertreibung der indigenen Völker Brasiliens eindrucksvoll dargestellt wird, bis hin zu Vorträgen, Ausstellungen und Flashmobs.

Ein Interview „Brauchen wir eine religiöse Begründung der Menschenrechte?“ aus Anlass der Veranstaltung findet sich in BQ 220.

 

Links:

·         Opens external link in new windowhttp://de.wikipedia.org/wiki/Franz-Josef_Bormann

·         Opens external link in new windowhttp://www.uni-tuebingen.de/fakultaeten/katholisch-theologische-fakultaet/lehrstuehle/moraltheologie/lehrstuhlinhaber.html

·         Opens external link in new windowhttp://de.wikipedia.org/wiki/Omar_Hamdan

·         Opens external link in new windowhttp://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Die-Tuebinger-Uni-stellte-das-neue-Islam-Zentrum-vor-_arid,148142.html

 

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·         Initiates file downloadFoto1: Podiumsgespräch mit (von links) Prof. Bormann, E. Flügge, Prof. Schirrmacher, Prof. Hamdan

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·         Fotos: © IIRF Yakubu Joseph; AI Nicola Sonanini

Dokumente

BQ0219.pdf