Bonner Querschnitte 34/2019 Ausgabe 598
ZurückPapst fordert den Ã?kumenischen Rat der Kirchen auf, sich wieder mehr auf Evangelisation zu besinnen
Ein Kommentar von Thomas Schirrmacher
(Bonn, 27.08.2019) Papst Franziskus hat bei seinem Besuch des Ãkumenischen Rates der Kirchen (ÃRK) in Genf zu dessen 70-jährigem Jubiläum neben vielen freundlichen Worten den ÃRK ermahnt, die Aufgabe der Evangelisation und Mission wieder an die erste Stelle zu setzen. Evangelisation und ökumenische Einheit hätten bei der Gründung des ÃRK zusammengehört, und es sei weiterhin wahr, dass es keine echte Einheit der Kirchen ohne das Anliegen gäbe, dass alle Menschen das Evangelium hören.
Ich saà drei Meter vom Pult entfernt, als der Papst diese überraschenden Worten sagte (siehe Foto), aber ich musste bis jetzt warten, bis alle Texte offiziell erschienen sind und übersetzt wurden. Deutlicher hätte es die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) auch nicht sagen können. In aller Freundschaft und in dem Wissen, dass der ÃRK grundsätzlich Mission wieder ernst nimmt, und die Missionskommission des ÃRK in ihrem neuesten Missionsdokument von 2012/2013 dem Begriff âEvangelisationâ eine prominente Rolle einräumt, kann man den Anfragen des Papstes nur zustimmen.
Die WEA stellt das aber nicht triumphierend fest, sondern auch in Teilen selbstkritisch, da sich auch für uns die Frage stellt, ob der evangelistische Schwung zur Mission, wie er die Allianzen 1846 und 1951 zusammenführte, heute â vor allem in Europa â wirklich noch prägend ist. Man diskutiert etwa die zunehmende Zahl von Muslimen in Europa lieber politisch und kritisch, statt Gastfreundschaft zu üben und muslimische Familien zu sich nach Hause einzuladen.
Der Papst hat manches eher angedeutet, als pointiert kritisiert. Doch es lohnt sich, diese Andeutungen einmal aufzulisten, denn in Rom weià man offensichtlich sehr genau Bescheid.
Was der Papst ablehnt bzw. kritisiert:
- âdie Ãkumene und die Missionâ sind ânicht mehr so eng miteinander verbunden ... wie am Ursprungâ (eigentlich âAnfangâ)
- âder missionarische Auftragâ ist âmehr ... als die diakonia und die Entwicklungshilfeâ
- die âleider oft wiederkehrende Versuchung, sich entsprechend weltlicher Denkmuster aufzudrängenâ
- âworin besteht diese Kraft der Anziehung? Gewiss nicht in unseren Ideen, Strategien oder Projektenâ
- âAn Jesus Christus glaubt man nicht mittels einer Sammlung von Ja-Stimmenâ
- âdas Volk Gottes ist nicht auf den Rang einer NGO herabzustufenâ
- âwenn wir diesen Schatz auf den Wert eines rein diesseitigen Humanismus reduzieren würden, der sich den Moden des Augenblicks anpasstâ
- oder âihn aus Angst vor den Provokationen ... der Welt zurückhalten wolltenâ
Demgegenüber steht:
- âUnsere Identität hängt davon ab. Die Verkündigung des Evangeliums bis zu den äuÃersten Grenzen gehört zum Wesen unseres Christseins.â
- âIch bin überzeugt, dass, wenn der missionarische Schub wachsen wird, auch die Einheit unter uns wachsen wird.
- âWie an den Ursprüngen die Verkündigung den Frühling der Kirche kennzeichnete, so wird die Evangelisierung die Blüte eines neuen ökumenischen Frühlings kennzeichnen.â
Downloads und Links:
- Foto 1: Dieses Foto wurde exakt während der oben wiedergegebenen Teile der Rede des Papstes von meinem Platz aus aufgenommen © Thomas Schirrmacher
- Foto 2: BegrüÃung des Ãkumenischen Patriarchen Bartholomäus I. durch Bischof Thomas Schirrmacher auf den Stufen der Genfer Kathedrale zum 70-jährigen Jubiläum des ÃRK © BQ/Warnecke
- Anhang: âAuszüge aus der Ansprache des Papstes in Genfâ und âAuszüge aus der Erklärung zu Mission und Evangelisation des ÃRKâ (pdf)