Bonner Querschnitte 42/2012 Ausgabe 236

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Islam in Deutschland

Christine Schirrmacher bei Treffen mit sächsischen Kommunalpolitikern

(Bonn, 21.12.2012) Der Arbeitskreis „Kommunalpolitik“ des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes traf sich im November 2012 zu seiner traditionellen Jahrestagung im Bethlehemstift in Hohenstein-Ernstthal. Der Kreis hatte zu dem Thema „Islam in Deutschland – Anfrage an Politik, Kirche und Gesellschaft“ eingeladen. Referentin war die Islamwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Christine Schirmacher. Sie ist Leiterin des „International Institute of Islamic Studies“ der weltweiten Evangelischen Allianz, unterrichtet an mehreren Hochschulen und ist Gastdozentin bei Landes und Bundesbehörden.

In ihren beiden Vorträge machte sie deutlich, dass der Islam in Europa und auch in Deutschland unumkehrbarer Teil der Gesellschaft geworden ist. Es sei daher dringend geboten, sich dieser Tatsache und den sich daraus ergebenden Fragen zu stellen. Ein geschichtlicher Rückblick zeigte, dass der Islam von Anbeginn nicht nur eine die Religion, sondern auch die Gesellschaft und die Politik bestimmende Ordnung ist. Diese „Dreiheit“ gehe auf Muhammad selbst zurück, der nicht nur Religionsstifter, sondern zugleich auch weltlicher Herrscher, Eroberer, Heerführer und Gesetzgeber war. Die durch ihn geoffenbarte göttliche Ordnung sollte das ganze Leben einschließlich der staatlichen Gewalt und der Rechtsordnung bestimmen. Für viele Muslime sei diese Dreiheit auch heute noch das erstrebenswerte Ideal. Andere sehen in der für westliche Gesellschaften prägenden Trennung zwischen Staat und Kirche eine Herausforderung zur Wandlung, der sich der Islam stellen muss.

Im Vergleich zu Muhammad habe Jesus sich grundsätzlich von weltlicher Macht distanziert. Von hier aus sind auch viele Entwicklungen der Kirchengeschichte kritisch zu sehen. Bleibend gilt seine Aussage: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Daraus erwächst als Grundgedanke des Christentums die „Freiheit des Glaubens“ an den dreieinigen Gott, der sich als Liebe offenbart.

Wichtig für den Dialog mit Muslimen ist, dass es keine einheitliche Auslegung des Koran gibt. Auch findet eine eigene Beschäftigung des Gläubigen mit dem Koran nur selten statt, dessen Lektüre möglichst in der arabischen Sprache geschehen sollte, der aber viele Gläubigen nicht mächtig sind. Insofern nehmen Gläubige die aktuelle Auslegung des Koran meist nur über das Freitagsgebet wahr. Zwar beziehe sich der Koran an vielen Stellen auf die Bibel, setze aber an deren Stelle seine eigene Deutung. So erfahre z.B. Jesus eine hohe Wertschätzung, aber sein Erlösungstod am Kreuz werde ebenso geleugnet wie seine Gottessohnschaft. Eine Heilsgewissheit kennt der Islam nicht. Für Christen gäbe es viele Ansatzpunkte im Gespräch mit Muslimen. Der Dialog nötigt Christen, sich intensiv mit den eigenen, aber auch den uns fremden Glaubensgrundlagen der Anderen zu beschäftigen.   

Ein geistlicher Impuls von Prof. Johannes Berthold, Moritzburg stimmte am Anfang des Tages die Besucher auf das Thema ein. Der Vorsitzende des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes stellte in seiner Betrachtung über Joh 18 die Gestalten Jesus von Nazareth und Pontius Pilatus gegenüber. Auf der einen Seite stehe Jesus als Zeuge der Wahrheit – äußerlich machtlos, aber innerlich frei. Auf der anderen Seite Pilatus – äußerlich mächtig, aber im Inneren zitternd und ohnmächtig vor der Stimmung des Volkes. In dessen skeptischer Frage: Was ist Wahrheit? spiegele sich auch die Skepsis der Postmoderne wider: Ist das die Wahrheit, dass es keine Wahrheit gibt? Der Wahrheitsrelativismus setze sich auf dem Gebiet der Ethik fort, denn das Wahre und das Gute hängen immer zusammen. Solcher postmoderne Relativismus aber erschwere die Bildung von Identität und führe in seiner Orientierungslosigkeit oft in sein Gegenteil – den Fundamentalismus.

Uns sei das Zeugnis aufgetragen, dass Jesus Christus die Wahrheit ist. Darin läge aber kein Gewaltpotential, denn Christus stehe in Fesseln vor Pilatus. In ihm ist die Wahrheit für immer mit der Liebe verbunden. Daraus erwachse eine Ethik der Mission, die das Zeugnis des Glaubens nicht anders als in eben diesem Geist Jesu weiterträgt. Hier läge auch die höchste Garantie des Respektes und der Toleranz - „eines Umgangs mit der Wahrheit, deren einziges Mittel die Liebe ist.“

Natürlich konnten an einem solchen Tag nicht alle Fragen beantwortet werden. Aber wir sind mit dem Wissen nach Hause gefahren, dass wir einem Gott folgen, der nicht nur Regeln aufstellt und die Welt erobern will, sondern der uns in seinem Sohn uns ganz nahe kommt und seine Liebe offenbart.

 

Der Arbeitskreis „Kommunalpolitik“ bietet Christen in Politik und Gesellschaft, die in Verantwortung vor Gott und den Menschen leben und handeln wollen, sachliche Informationen, ein Forum des Gesprächs und die Gemeinschaft des Glaubens. Seine Leitung liegt in den Händen von Helmut Trommer, ehemaliger Prediger und Bürgermeister a.D. von Glauchau.

 

Text: Bürgermeister Dietmar Hohm Niederwiesa

 

Downloads:

·         Initiates file downloadFoto 1: Prof. Christine Schirrmacher beim Vortrag

·         Initiates file downloadFoto 2: Prof. Johannes Berthold

·         Initiates file downloadFoto 3: Der Organisator, Prediger Helmut Trommer, Bürgermeister von Glauchau 1990-2001

Dokumente

BQ0236.pdf